Niemand sollte nach seinem dunkelsten Moment beurteilt werden
Von KATHLEEN ELLIS für The Bryan-College Eagle

Sein Name auf der Liste überraschte mich. Ich kannte seinen Vater, ein Gemeindemitglied meiner Kirche in Waco. Wir hatten lange Gespräche über seinen Sohn, Granville Riddle, der im Todestrakt von Texas war.

Während der Berufungsprozess lief, sah es beinahe so aus, als ob seine Verurteilung umgewandelt oder sogar umgeworfen werden würde. Doch Granville Riddles Name ist auf der Hinrichtungsliste für den 30. Januar. Seine Zeit läuft aus.

Seit diesen Gesprächen in Waco habe ich mehr über die Todesstrafe gelernt. Zum Beispiel wird die Todesstrafe unfair verhängt. Es hängt vor allem davon ab, wo das Verbrechen geschehen ist und welche Qualität der vom Gericht bestellte Anwalt liefert. Ohne ausreichende Mittel für die Verteidigung bekommen selbst unschuldige Männer und Frauen zu oft ein Todesurteil. Der alte Spruch ist wahr: Jene ohne Kapital bekommen die Strafe.

Eine Sache ist klar. Todestraktinsassen sind beinahe alle mittellos. Beinahe alle von ihnen wurden von überlasteten Anwälten vertreten, die begrenzte Mittel zur Verfügung hatten. Mehr als einmal wurden diese Verurteilten von schlafenden Anwälten vertreten. Viel zu oft wurden sie von unvorbereiteten, unqualifizierten Anwälten vertreten, von denen viele von der Anwaltskammer von Texas diszipliniert wurden.

Die Kosten der Steuerzahler für den Prozess wegen kapitalen Mordes, Berufungen und Hinrichtung sind extrem hoch. Im Jahr 1992 meldete die Dallas Morning News, dass die Kosten für die texanischen Steuerzahler in einem durchschnittlichen Fall für Prozess und Berufungen 2,3 Millionen Dollar betragen. Zum Vergleich dazu kostet es ungefähr 750 000 Dollar um einen Gefangenen lebenslang in der Einzelzelle eines Sicherheitstraktes zu verwahren.

Wir wissen, dass sowohl die Gegner, als auch die Unterstützer der Kapitalstrafe ihre wichtigsten Argumente in ihrer Auslegung der Heiligen Schrift finden. Zum Beispiel sagt uns das Buch Genesis, dass Kain seinen Bruder Abel ermordet hat, doch Gott Kains Leben nicht genommen hat. Stattdessen wurde Kain durch ein Leben ohne seinen Gott und seine Gemeinde bestraft, er war den Rest seines Lebens ein Flüchtling und Wanderer. Ja, „GOTT markierte Kain, damit  niemand der ihm begegnete, ihn töten würde.“

Diese Art der Bestrafung kann in unserer Zeit keine Antwort sein, doch es bleiben Fragen offen. Viele Glaubensgemeinschaften verurteilen die Todesstrafe in ihren offiziellen Statements zumeist ohne Erklärung. Als Resultat ergibt sich, dass mehr und mehr Mitglieder dieser Kirchen damit beginnen, in ihren Herzen und ihren Nachbarn gegenüber diese Fragen zu stellen.

Das einzige Mal, wenn Jesus mit der Todesstrafe konfrontiert wurde, weigerte er sich, den ersten Stein zu werfen. Was sollen wir dann machen?

Wie können wir glaubwürdig den Respekt vor dem menschlichen Leben zeigen und außerdem die Sicherheit durch rechtliche und moralische Standards aufrechterhalten? Zu oft machen wir eine extrem schlechte Arbeit, wenn wir uns in Situationen mit hohem Risiko einmischen sollen. Junge Menschen leben am Rand der Gesellschaft ohne Sicherheitsnetz. Die Mittel für Bildung werden ständig gekürzt, während sich die Gefängnisse verdoppeln.

Aus diesem und vielen anderen Gründen hat die Redaktion des Bryan-College Station Eagle ein Moratorium der Hinrichtungen unterstützt, während dessen eine Gruppe jeden Schritt im rechtlichen Prozess untersuchen kann.

Niemand sollte nur nach der schlimmsten Sache beurteilt werden, die er jemals getan hat. Granville Riddle tötete einen Mann nach einer durchzechten Reise durch Bars, als er 19 Jahre alt war. Doch er ist auch ein Künstler, dessen Ölbilder bemerkenswert sind. Und wenn ich an die Gespräche mit seinem Vater zurückdenke weiß ich, dass Granville mehr ist als die schlimmste Sache, die er jemals getan hat.

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